02. Januar 2012



Post nach Hause:

"Mit dem Bus aus Jerusalem in den Negev nach Beersheba gefahren. Die Stadt ist schwierig, wenigstens beim ersten Kontakt: ein Mittelding zwischen Wildem Westen (USA) und Fernem Osten (Sibirien). Während andernorts alle Informationen dreisprachig sind: hebräisch, arabisch (nicht hilfreich) und englisch, sind sie in Beersheba. einsprachig und, wenn zweisprachig, dann russisch. Das kann ich mir zwar laut vorlesen. Aber verstehen? Genau so die Leute: Englisch Nitschewo, dafür russisch. Einmal haben mir die paar Brocken, die ich mir letztes Jahr angeeignet hatte, weiter geholfen!...

Ich brauchte Geld. Eine Bank zu finden war schwierig. Ich fand sie und stand im Hin und her, war an mindestens fünf Schaltern, ohne zu erfahren, warum. Die Leute, die mich hin und her schickten, wussten es auch nicht, verstanden mich ja nicht, bis mir jemand sagte, ich solle an den Automaten gehen. Bürokratie wie im seligen Sozialismus...

Ähnlich dann am Busbahnhof bei der Suche nach Bussteig und Abfahrtszeiten für die Weiterfahrt.
Warum am Eingang niemand mein (oder irgend ein Gepäck der anderen) kontrollierte, verstand ich nicht. Vor dem Supermarkt, dem Bahnhof und vor der Bank sowieso, muss man sonst jeden Beutel aufmachen (und kommt man wie ich mit drei Gepäckstücken, auch alle drei), Hier keine Kontrolle: Schlendrian oder Leichtigkeit des Seins? Gegen Raketen aus Gaza helfen die Kontrollen sowieso nicht. Ich fühle mich übrigens absolut sicher in diesem Land. Israelis sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, von einem Selbstmordattentäter in die Luft geblasen zu werden hier mittlerweile nicht größer ist, also sonst wo auf der Welt. Inschallah (aber das ist arabisch)."


Ich hatte einige Stunden und eine Nacht in Beersheba eingeploant, weil ich das Negev Monument von Dani Karavan sehen wollte. Im Hostel habe ich mich erkundigt, wo ich es finden würde. Die Verständigung auf russisch war schwierig. Vielleicht lag es daran; jedenfalls meinten sie: "Es sei nicht weit, gleich um die Ecke." Da war aber statt des gesuchten Monuments ein großer englischer Soldatenfriedhof aus dem Ersten Weltkrieg. Niemand dort wusste etwas von der Existenz des Karavan-Monuments.

   
Gleich neben dem englischen ein weiterer kleinerer Friedhof, auf dem Immigranten aus der UdSSR ruhen. Russen die meisten, der eine oder die andere aus dem Baltikum oder aus Georgien. Kleine Verwirrung: Kyrillische Schrift, Lateinische und Griechische Kreuze auf den Grabsteinen, nur vereinzelt auch der Davidstern. Die Emigranten haben wenigstens im Totenkult Schwierigkeiten mit der jüdischen Identität. Im normalen Leben auch? Es gibt Leute, die beahupten, in Beersheba rieche es nach Schweinefleisch. Das wenigstens ist mir nicht begegnet.
  

Das Negev Monument fand ich dann doch mit Hilfe eines Taxifahrer, der aber auch erst seine Zentrale anrufen musste, um es zu lokalisieren. Weit außerhalb der Stadt. Eindrucksvoll: aber nicht etwa ein Friedensmahnmal, sondern triumphierender Heroismus pur. Karavan war während des Unabhängigkeitskriegs Kämpfer der Negev Brigade des Palmach im israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948. Das Monument erinnert an den Sieg über die ägyptische Armee im Negev.
  

  

  

  
Eine ganze Zeit lang war ich alleine. Kurz bevor es dunkel wurde, kam ein junger Mann aus Hebron, der zum ersten Mal am Monument war. Er hatte es bis dahin immer nur von Weitem gesehen und wollte es auch aus der Nähe kennen lernen. Ein kleines Gespräch; unter anderem die schwierige Frage, was ich als Deutscher fühle, wenn ich ich Israel bin.
  


Hinter den Hügeln am Horizont liege Hebron, erfuhr ich.



Dani Karavan hat übrigens eine schöne Website mit Fotos vom Negev Monument und von anderen Werken in Paris, Köln, Nürnberg. Ich selbst habe Fotos vom Axe Majeur in Cergy-Pontoise ins Netz gestellt.

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